Bei der Herstellung von Tinkturen und Urtinkturen werden ausgewählten Pflanzenteilen mittels Mazeration die Wirkstoffe entzogen und im Alkohol aufgenommen. Physikalisch gesehen handelt es sich bei der Mazeration um eine Extraktion bestimmter Wirkstoffe oder Aromen aus dem Grundstoff. Mazerate können entweder mit Wasser (Tee), Öl (fette Öle) oder Alkohol (Tinkturen) hergestellt werden. Bei der Wahl des Lösungsmittels ist zu berücksichtigen, dass nicht alle Inhaltsstoffe mit jeder Art von Lösungsmittel herausgelöst werden können. Ätherische Öle lassen sich mittels Destillation oder auch mit Öl- oder Alkohol-Auszügen gewinnen. Gerbstoffe lösen sich auch gut in heissem, Schleimstoffe in kaltem Wasser.
Mazeration mit Alkohol
Nicht bei jedem Pflanzenteil wird ein gleich konzentrierter Alkohol für die Mazeration benötigt. Grundsätzlich wird ein höherer Alkoholgehalt benötigt, je mehr Wassergehalt der zu verarbeitende Pflanzenteil hat. Ist der Alkoholgehalt bei der Mazeration von Pflanzen mit hohem Wassergehalt zu tief, wird der resultierende Wassergehalt der Tinktur zu hoch und damit die Tinktur nicht optimal. Als Faustregel können folgende Anhaltspunkte verwendet werden.
- Getrocknete Pflanzenteile, frische Pflanzen mit wenig Wassergehalt: 40-50%
- Frische Pflanzenteile mit mittlerem Wassergehalt, Wuzeln oder Holz: 60-70%
- Frische Pflanzenteilen mit hohem Wassergehalt: 80-90%
Wie lange die Mazeration dauert, hängt vom Grundstoff ab. Um die Wirkstoffe und Aromen zu lösen, sollte die Mazeration jedoch mindestens zwei Wochen andauern. In manchen Fällen werden die Grundstoffe auch vier bis sechs Wochen mazeriert. Mit der Dauer der Mazeration können sich Aromen verändern und sich Wirkstoffe stärker oder weniger stark im Alkohol aufgenommen werden.
Hinweis | Bei der Wahl des Alkoholgehaltes ist ebenfalls zu berücksichtigen, dass nicht jede Pflanze die gleichen Wirkstoffe enthält und nicht jeder Wirkstoff mit jedem Lösungsmittel (z.B. Alkohol) extrahiert werden kann. Auch die Dauer für die Extraktion der Wirkstoffe ist unterschiedlich. Auch die Frage, ob man einzelne Wirkstoffe einer Pflanze gezielt extrahieren oder eben nicht extrahieren möchte, kann man sich stellen. Schleimstoffe, Glukoside, Saponine, Alkaloide (20% bis 40%) benötigen einen weniger hohen Alkoholgehalt als Bitterstoffe, Gerbstoffe und Flavonoide (30% bis 50%) oder Kumarine, Scharfstoffe, ätherische Öle (50% bis 70%). Bei diesen Fragestellungen reicht mein Wissen (noch) nicht aus, um weitergehende Tipps zu geben.
Mischungskreuz (online Rechner)
Wenn du den benötigten Alkohol mit dem richtigen Alkoholgehalt nicht verfügbar hast, kannst Du ausgehend von einem reinen Alkohol mit z.B. 96% die benötigten Alkoholkonzentrationen herstellen. Mit Hilfe des Mischungskreuzes (Rechenschema für das Mengenverhältnis verschiedener Zutaten) können beliebige Alkoholkonzentrationen zu gewünschten Ziellösungen gemischt werden.
Damit der Taschenrechner in der Schublade bleiben kann, habe ich zu den aus meiner Sicht wichtigsten Anwendungsfällen einen Online Rechner erstellt, welcher es mit wenigen Klicks und Eingaben erlaubt, die jeweils benötigten Mengen destilliertes Wasser und Alkohol zu berechnen.
Beispiel: Beinwell Alkohol-Auszug
Beinwell (Symphytum officinale) ist eine alte Heilpflanze, deren Blätter und Wurzeln man bereits in der Antike zum Verheilen von Wunden eingesetzt hat – daher auch der Namen, der sich aus Bein (Knochen) und well (wohltuend) zusammensetzt. Traditionell werden aus der Beinwellwurzel seit Jahrhunderten Salben und Balsame zubereitet.

Zutaten
- Beinwellwurzeln (frisch geerntet zwischen November und Februar)
- reiner Alkohol (40% bis 70%) – Alkohol 96% herabsetzen
Zubereitung
- Beinwellwurzel zwischen November und Februar ernsten. Dabei mit einer Stechgabel den Wurzelstock lockern und ein paar schöne Wurzelstücke ernten. Den restlichen Wurzelstock wieder gut im Boden andrücken, sodass die Pflanze weiter wachsen kann.
- Die Wurzel waschen und trocknen lassen und währenddessen ein geeignetes Gefäss (verschliessbares Glas) mit Alkohol desinfizieren und mit einer Etikette beschriften und dabei den Inhalt (Beinwell Alkoholauszug) sowie das Datum des Ansetzens sowie das geplante Weiterverarbeitungsdatum notieren. Ich verwende normalerweise alte Konfi- oder Apfelmus-Gläser mit einem Fassungsvermögen von etwas mehr als 3dl.
- Für die Ur-Tinktur wird nun ein Alkohol-Auszug angesetzt.
- Die Beinwellwurzeln werden dazu in kleine Scheiben/Stücke geschnitten und nach dem Schneiden direkt in das vorbereitete leere Glas gegeben, weil der nach dem Schneiden austretende Saft der Beinwellwurzel ziemlich schleimig und klebrig ist.
- Sobald das Glas ungefähr zur Hälfte gefüllt ist, wird das Glas bis gut eine Fingerbreite oberhalb der Beinwell-Wurzelstücke mit 40% bis 70% reinem Alkohol aufgefüllt und anschliessend gut verschlossen.
- Danach das Glas nun täglich (jedoch nur bei guter Laune resp. positiven Gedanken) schütteln, damit sich die Wirkstoffe aus der Beinwellwurzel optimal lösen können. Nach ca. vier bis sechs Wochen ist die Ur-Tinktur fertig.
- Nach ca. vier bis sechs Wochen wird das mittlerweile dunkelbraun bis schwarze Mazerat gefiltert, d.h. die Wurzelstücke werden von der Ur-Tinktur getrennt. Dazu kann ein feines Sieb oder zusätzlich ein alter Damenstrumpf verwendet werden. In der Ur-Tinktur sollten so wenig Pflanzenteile wie möglich übrig bleiben. Die Ur-Tinktur anschliessend in Braunglas-Flaschen abfüllen und auch diese mit einer vorgefertigten Etikette mit Herstellungsdatum und Inhalt beschriften. Eurer Kreativität sind dabei keine Grenzen gesetzt. Fertig ist die Ur-Tinktur – oder zumindest fast fertig.
- Wer noch einen Schritt weiter gehen möchte, kann die übrig bleibenden Pflanzenreste zuerst gut trocknen lassen und anschliessend kalzinieren/veräschern. Mittels Kalzination (Veraschung) werden die wertvollen Mineralsalze gewonnen und diese können der Ur-Tinktur wieder zugeführt werden. Ein Blog Artikel zur Kalzination folgt, sobald ich den Prozess selber durchgeführt und dokumentiert habe.
Weitere Links mit guten Tipps
- Mazerate und Tinkturen selber machen (aroma1x1.com)
- Mischungskreuz einfach erklärt (Video auf studyflix.de)
- Echter Beinwell (naturadb.de)
- Echter Beinwell (mein-schoener-garten.de)